#FFT N°15 | MACHT FEHLER

29.04.2022

Heute Abend hatte ich die Ehre die Graduierungsrede für die Absolventinnen & Absolventen der Hochschule Heilbronn halten zu dürfen:

"Liebe Absolventinnen und Absolventen, sehr geehrte Mitglieder der Fakultäten, Eltern, Verwandte oder Freunde, vielen Dank, dass ich heute hier sein darf.

Als mich Prof. Dr. Beckmann vor einigen Wochen gebeten hat, heute ein paar Worte zu Eurem Abschluss zu verlieren, habe ich mich sehr gefreut

- meine Frau weniger.

Ich freue mich deshalb, weil es wahrscheinlich fast jedem von uns Spaß macht, anderen kluge Ratschläge zu geben und schlau daherzureden:

- Ihr konntet viele Beispiele in den letzten Jahren live anhand Eurer Professoren und Dozenten beobachten, oder?

Meine Frau freute sich weniger, weil sie der Meinung ist, ich arbeite zu viel und bin zu wenig "zuhause".

…was nach zwei Jahren Pandemie irgendwie bemerkenswert ist, weil wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen bin ich seit zwei Jahren fast ausschließlich zuhause!

Und deshalb freue mich heute deshalb umso mehr, physisch vor Euch stehen zu dürfen.

Selbstverständlich habe ich mich auf diese Rede mind. genauso intensiv vorbereitet wie ihr Euch auf Eure Klausuren und Arbeiten.

Als ich damals studiert habe, haben wir immer am Abend vor den Klausuren in unserer Berliner WG Schafkopf gespielt…

Spaß beiseite, ich habe mir tatsächlich ein paar Gedanken gemacht und weiche deshalb heute auch ganz bewusst von meiner Gewohnheit ab, frei zu sprechen.

Ich habe mich gefragt, welche Ratschläge oder Empfehlungen kann und möchte ich Euch denn mit auf den Weg geben, nachdem ich vor ziemlich genau 20 Jahren der Graduierungsrede meines Studienabschlusses zuhören musste.

Um ehrlich zu sein, kann ich mich an keinen einzigen der darin enthaltenen Ratschläge erinnern. Nachdem mir das bewusst wurde, war ich während der Vorbereitung etwas beruhigter.

Und natürlich habe ich auch gegoogelt, wie man eine richtig gute Graduierungsrede schreibt

Ich habe dabei einen schönen Satz gefunden. Der hat mich zwar einerseits zum Schmunzeln gebracht, andererseits hat er mich jedoch

an eine Rede erinnert, die ich zum START meines Studiums gehört habe.

Der Satz stammt von George Saunders aus einer Rede an der Syracuse University.

(George Saunders ist im Übrigen ein bekannter amerikanischer Schriftsteller der Gegenwart, der in den USA Kultstatus genießt. Und ja, ich habe ihn auch erst gegoogelt, um Euch das erzählen zu können.)

Er hat gesagt:

"Über die Jahrhunderte hat sich für Veranstaltungen wie diese eine gewisse Tradition herausgebildet: Irgendein alter Knacker, dessen beste Jahre schon lange vorbei sind und der im Laufe seines Lebens eine schier endlose Serie von Fehlschlägen erlebt hat – die Rede ist von mir –, gibt Ratschläge an eine Gruppe von gut aussehenden, strahlenden und brillanten jungen Menschen, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben – die Rede ist von Ihnen. Liebe Absolventinnen und Absolventen, diese alte Tradition werde auch ich befolgen.“

Mich hat weder der alte Knacker getriggert, noch glaube ich, dass meine besten Jahre vorbei sind, noch dass Ihr bisher noch nicht richtig gelebt habt…

George Saunders hat jedoch in einem Punkt Recht: Ich habe Euch nach 20 Jahren Berufsleben wahrscheinlich den ein oder anderen Fehlschlag voraus!

Und genau dazu hat der globale Ausbildungsleiter von Siemens uns Studenten zu Beginn unseres Studiums 1998 einen Rat gegeben. Dieser Rat ist so einfach, tausendfach zitiert und vielleicht sogar abgedroschen, aber unglaublich wahr:

Er hat gesagt:

"Liebe Studentinnen und Studenten, macht Fehler! Aber macht sie möglichst immer nur einmal."

Als er diesen Rat gab, waren heutig Buzzwords wie Learning Journeys, New Work, Growth Mindset, oder „Fail - but fail fast“ lediglich einfach englische Begriffe.

Wir leben in einer VUCA-Welt, die Erläuterung kommt gleich, in der es immer wichtiger wird aus Fehlern, unabhängig wer sie gemacht hat, möglichst schnell zu lernen und Konsequenzen abzuleiten. Aus Erlebnissen müssen möglichst schnell Erfahrungen und dann Konsequenzen werden.

Geht das in einer VUCA-Welt überhaupt? Erlebnisse zu Erfahrungen sammeln und konsequent im Handeln sein?

Haben wir in einer sich immer schneller verändernden Welt – das V für Volatility – überhaupt die Zeit unsere Erfahrungen machen zu können?

Ist es, wenn ja, sicher, dass diese Erfahrungen in unserer immer unsicherer – das U für Uncertainty – werdenden Welt etwas bringen?

Hilft uns die durch Erfahrung richtig gezogene Konsequenz im Handeln bei der heutzutage stetig wachsenden Komplexität – das C für Complexity?

Und wer sagt eigentlich, was richtig ist, wenn alles mehrdeutig sein kann – das A für Ambiguity?

Und ab wann ist konsequent heutzutage schon nicht veränderungsbereit genug?

Eine schier endlose Serie von Fehlschlägen wie George Saunders sie erwähnt hat blieb mir in meinen 20 Jahren Beruf oder meinen über 44 Lebensjahren Gott-Sei-Dank ebenfalls erspart. Aber ein paar Fehler waren dabei…

Heute habe ich dennoch zwei tolle Jobs. Ich darf mich um Menschen in einer IT-Organisation kümmern und bei dem „geilen Scheiß“ von morgen mitspielen und außerdem Vater, Ehemann, Herrchen, Familienvater sein. Working Dad.

…im Übrigen mit einer Working Mum als Frau.

Ohne in dieser kleinen Rede mit Plattitüden kommen zu wollen, wie „das Leben hat Höhen und Tiefen, das Leben ist ein auf und ab blabla...“;

Am Ende ist es aber doch für die meisten von uns so:

Unser Leben ist wie es ist, aber vor allem ist es das, was wir daraus machen.

Wir können weder vor unserem Job im Beruf flüchten, noch vor unseren Rollen im Privatleben.

Die wenigsten von uns sind in der Lage behaupten zu können, sie bräuchten keinen Job, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Kein Mensch kann sich jeglichem zwischenmenschlichen Miteinander auf Dauer komplett entziehen, indem wir Konflikten, Fehlern oder Fails aus dem Weg gehen.

Was wir jedoch zweifelsohne in den meisten Fällen tun können, wir können die Situation verändern, in der wir uns befinden. Im Laufe unseres Berufslebens können wir zum Beispiel einen anderen „Job“ finden, in dem wir unsere Aufgaben und Rollen oder auch unseren Arbeitgeber wechseln.

Wir können uns selbstverständlich auch im Privatleben verändern.

Wir können oft die Rahmenbedingungen verändern und selbst wenn wir das nicht können, können wir die Situation verändern, indem wir eine andere Einstellung dazu einnehmen.

Sowohl die Rahmenbedingungen zu verändern, als auch die eigene Meinung oder Einstellung, erfordert ein wenig Konsequenz.

Die Konsequenz aus den gemachten Erfahrungen für sich und sein Leben die notwendigen Veränderungen umzusetzen.

Das ist sicher nicht immer einfach und ganz sicher wird man dabei nicht immer alle Erwartungen aller Mitmenschen im eigenen Umfeld erfüllen. Vielleicht ist es jedoch manchmal Wert, sich die Frage zu stellen, welche Erwartungen man selbst an sich stellt. Ob im Job oder im Privatleben funktionieren „Klassiker“ manchmal nicht für immer und ewig.

Die Welt verändert sich, Mitmenschen verändern sich, wir verändern uns.

Das wiederum können wir nicht ändern. Deshalb ist es konsequent auf die für sich richtige Art und Weise damit umzugehen.

Ich möchte heute gerne ein paar solcher Erlebnis-Erfahrung-Konsequenz-Ketten als Empfehlungen Euch teilen

Erfahrung #1

Wenn etwas nicht funktioniert, hilft keine Flucht.

Konsequenz #1:

Konsequenz ist eine Tugend!

Bleibt dran, egal an was.

Erfahrung #2

Zusammen ist das Ergebnis in der Regel besser.

Konsequenz #2

Einfach nach Sparring fragen ist ein Anfang.

Man ist nie alleine und schon beim Stellen der Frage nach Unterstützung mindestens einer mehr!

Erfahrung #3

Gefühle entstehen auch im Business, v.a. bei Fehlern.

Konsequenz #3

Akzeptieren wir Gefühle, sie machen uns menschlich.

Auch mit noch so viel künstlicher Intelligenz und Automatismus in Zukunft bleibt der Mensch das wichtigste Kernelement.

Erfahrung #4

Fragt wozu? statt warum ? Warum Ist oft eine rückwärts gerichtete

Frage.

Konsequenz #4

Nach vorne schauen und wenn möglich

Wozu? fragen, um Lösungsansätze zu finden.

Erfahrung #5

Fängt man erstmal an, sind viele Schwierigkeiten zu schaffen, und nicht selten entsteht durch das Machen etwas viel Besseres, als man es sich erwartet hätte.

Konsequenz #5

Einfach mal machen, weil machen ist wie wollen nur krasser!

Also macht einfach.

Macht Fehler!

Macht daraus Fortschritte!

Entwickelt Euch stetig weiter.

Wer aufhört besser zu werden, hört auf gut zu sein.

Und vor allem:

Bleibt dabei das, der oder die ihr sein wollt!

Und die wichtigste Empfehlung für heute, die ich Euch noch mitgeben möchte:

Macht Euch einen schönen Abend heute und feiert den erfolgreichen Abschluss Eures Studiums so richtig mit den hoffentlich richtigen Menschen!

Dankeschön.

In diesem Sinne.

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